1. Startseite
  2. /
  3. Aktuelle Meldungen
  4. /
  5. So entdecken Menschen mit...

So entdecken Menschen mit Sehbehinderung Oldtimer im Karlsruher Verkehrsmuseum

Anfassen erwünscht – das ist eine unübliche Aufforderung in einem Museum.

Im Verkehrsmuseum Karlsruhe galt diese Erlaubnis am Mittwoch, den 23. April aus gutem Grund. Denn die Teilnehmer der Privatführung leben mit Sehbehinderung. Was bedeutet, dass die Gäste größtenteils auf ihren Tastsinn angewiesen waren, um die ausgestellten Fahrzeuge zu begreifen – im wörtlichen Sinne. Doch wie kam es zu der ungewöhnlichen Führung?

Die ehrenamtlichen Mitarbeiter des Verkehrsmuseums, Harald Wacker und Georg Hellhorst, nahmen Kontakt zum Badischen Blindenverband in Mannheim auf. Und sie beschlossen: Autos sind ideal für solch eine Führung. Die Karlsruher Unterabteilung, geleitet von Sybille Schwarz, zeigte sofort Interesse an dem Vorhaben, speziell für die Mitglieder ihres regionalen Verbandes. Sechs Besucher mit Sehbehinderung hatten sich angemeldet. Sie alle kamen in Begleitung einer weiteren Person.

Geplant war bei der Privatführung eine Stunde für sechs ausgesuchte Fahrzeuge. Darunter waren historische Autos und ein Drais-Laufrad-Nachbau sowie die Isetta. Obwohl im ersten Stock Kuchen und Kaffee auf die Teilnehmer warteten, befand sich die lebhafte und lustige Gruppe nach einer Stunde immer noch im Erdgeschoss und hatte erst die Hälfte der Fahrzeuge durch.

Alle genossen sichtlich den Hautkontakt zu den edlen Karossen. Er ist schwarz, wisperte Norbert Stumpp seiner Frau Inge zu. Sie nickte. Dann beschrieb er ihr weiter den sauber blitzenden Kotflügel und die Ausmaße des letzten Dienstmercedes 280 vom ehemaligen Oberbürgermeister Günter Klotz.

Der Wagen wurde im Jahr 1968 gebaut. Inge Stumpp strich später selbst über das Metall. So konnte sie sich den Wagen vorstellen, wie sie sagte. Auch die anderen Gäste mit verschiedenen Graden an Sehbehinderung bis zur fast vollständigen Blindheit hatten keinerlei Berührungsängste.

So kletterten sie nacheinander in den mächtigen Rolls Royce, Baujahr 1933 eines der Prunkstücke des Verkehrsmuseums. Friedhilde Weber, die seit 2019 blind ist und mit Ismail Akbaba kam, der sie ehrenamtlich begleitet. „Ich wäre doch normalerweise hier gar nicht hingekommen“, sagte sie.

Weber fühlte sich sehr wohl im Inneren des Rolls Royce und lobt die Beinfreiheit. Alle Teilnehmenden zeigten sich von dem ehrenamtlichen Engagement begeistert. „Ganz toll, die Aktion“, betonte auch Sybille Schwarz. Auf jeden Fall werde man das Vorhaben wiederholen.

Für viel Gelächter sorgte noch die Knutschkugel Isetta, an die sich manche der Besucher erinnern konnten. Mit etwas Mut nahmen die Teilnehmer sogar auf der polierten Horex Regina, Baujahr 1952, Platz. Beim Schein-Start dröhnte der mächtige Sound dieses Motorrads.

Für die Mitarbeiter des Verkehrsmuseums, das in der Trägerschaft der Verkehrswacht steht und noch nicht jedem in Karlsruhe bekannt ist, endete der Mittag mit einer überaus positiven Bilanz. Besucherin Sylvia Schnele fasste zusammen: Das war eine wahnsinnig tolle Idee. Ich komme sonntags zu den Öffnungszeiten wieder.

Inge Stumpp sitzt lachend auf einem Motorrad im Verkehrsmuseum, ihr Ehemann und ein weiterer Mann sehen ihr lachend zu.